Systemische Theorie - eine Einführung in das systemische Denken
Als System wird eine beliebige Gruppe von Elementen beschrieben, die durch Beziehungen miteinander verbunden sind und durch eine Grenze von ihren Umwelten abgrenzbar sind. Erst ein systemischer Blick einer beobachtenden Person lässt ein System entstehen. Denn erst die beobachtende Person entscheidet, welche Elemente, welche Beziehungen und welche Grenzen sie diesem System zuordnen möchte.
Ich möchte beschreiben, was systemische Beratung für mich ist, und das ist natürlich nur ein kleiner Einblick.
Der Satz: “Eine Information ist ein Unterschied, der einen Unterschied macht” von Gregory Bateson ist seit Jahren die Headline für mein systemisches Denken. Das bedeutet, dass ich Systeme zum Schwingen bringen möchte, indem ich einen Unterschied mache, der einen Unterschied macht.
Ich glaube, wenn Menschen die Dinge schon hundertfach gehört haben, entstehen keine neuen Beziehungen und keine Veränderungen, sondern ich rufe das ab, was ich schon immer abgerufen habe. Das Spannende an der systemischen Beratung ist für mich, den Punkt zu finden, wo ich zu dem, was jemand schon weiß oder schon gehört hat, den Punkt finden kann, an dem ich den Unterschied mache, der den Unterschied macht.
Systemische Beratung bedeutet für mich, den Möglichkeitsraum und das Spielfeld an verschiedenen Wahrnehmungen, Deutungen und Ideen mit meinem Gegenüber zu erweitern.
Systemische Beratung bedeutet für mich, die Ressourcen meiner Klienten und Klientinnen aufzuspüren und nutzbar zu machen. Ich bin mir in meiner Haltung so sicher, dass mein Gegenüber alle Fähigkeiten, Talente und Möglichkeiten in sich trägt. Das bedeutet, dass alle Ressourcen schon vorhanden sind und meine Aufgabe in der Beratung ausschließlich ist, diese Ressourcen freizulegen, aufzuspüren und nutzbar zu machen.
Eine Überzeugung der systemischen Beratung ist, dass wir Probleme oder Symptome als Beziehungsphänome sehen. Es ist dabei hilfreich Beziehungsmuster zu beschreiben und keine Schuld zuzuschreiben oder nach der Ursache zu suchen.
Eine weitere wichtige Idee ist, dass Verhalten immer in einem Kontext passiert. Symptome, Störungen und Krisen bekommen erst ihre Bedeutung bzw. werden erst verstehbar, wenn wir sie in dem Kontext betrachten, in dem sie auftreten. Im systemischen Denken werden Beziehungsphänome nicht einzelnen Personen zugeschrieben, denn wir gehen davon aus, dass Menschen so genannte “Kontext-Persönlichkeiten” sind.
In der systemischen Beratung ist es außerdem wichtig, systemrelevante Personen in den Blick zu nehmen und sie miteinzubeziehen. Wir nennen das: “Umwelt-Einbezug”. Das heißt, wenn eine einzelne Person beispielsweise in die Beratung kommt, denke ich die Personen, die an dieser Person dranhängen und mit ihr in Beziehung stehen, immer mit:
Zum Beispiel das Herkunftssystem (manchmal bestehend aus Mutter und Vater) oder im beruflichen Kontext die Teammitglieder und die Teamleitung.
Symptome und Schwierigkeiten haben immer mindestens zwei Seiten: Vor- und Nachteile.
Dasselbe gilt für das Aufgeben oder Hergeben von Symptomen. Alles hat immer seinen Preis: Hergeben und Behalten.
Ich möchte mein Gegenüber einladen, sich klar zu werden: “Wie möchte ich mich entscheiden und welchen Preis bin ich bereit zu bezahlen?”
In systemischen Beratungsgesprächen wird danach gefragt: Was macht ein Mensch, damit er oder sie dauerhaft Probleme, Schwierigkeiten oder Symptome hat?
Wie schafft es jemand ein Symptom aufrecht zu erhalten?
Was muss er oder sie tun, um immer wieder dieselben Ängste, immer wieder Magengeschwüre, immer wieder Kopfschmerzen, immer wieder Streit in der Partnerschaft zu haben?
Wir gehen davon aus, dass Veränderungen im Leben das Normale sind und Beständigkeit das Erklärungsbedürftige.
Beispiel:
Um in einem Jahr genau so auszusehen wie heute muss ich immer wieder duschen, essen, Haare schneiden usw. Wenn ich nichts davon mache, verändere ich mich automatisch. Ähnlich ist es im Garten. Damit der Garten der gleiche bleibt, muss ich immer wieder Rasen mähen.
Erklärungsbedürftig ist daher nicht die Veränderung, sondern eher die Beständigkeit:
Wie schafft es ein Paar jeden Abend zu streiten?
Wie schafft es eine magersüchtige Person dauerhaft zu fasten?
Wie schafft es ein Mann, von seinem Vorgesetzten immer wieder als nervös und aufgeregt beschrieben zu werden?
Sie alle müssen aktiv etwas dafür tun. Das heißt, dass alle Symptome eine aktive Leistung eines Individuums sind.
Die Lösung liegt oft nicht darin, noch mehr zu tun, sich noch mehr anzustrengen oder ganz dringend etwas zu lernen. Manchmal geht es eher darum, etwas zu unterlassen. Zum Beispiel das, was nicht nützlich ist, was Probleme bereitet oder sogar krank macht.
Es geht auch darum, Ressourcen und innere Überzeugungen zu aktivieren, die dienlich sind.
Eine letzte Idee für diesen Artikel: Alle Aussagen über Klienten und Klientinnen enthalten Aussagen über uns selbst.
Beispiel:
Wenn ich einer Kollegin etwas über eine Mutter berichte, mit der ich arbeite, und ich sie beschreibe als: “kompetent, cool und wissbegierig”, sage ich damit auch immer etwas über mich.
Eine Selbstreflexion im systemischen Gedanken ist daher unvermeidbar und macht richtig viel Spaß, weil ich auch ganz viel über mich selber lernen kann.